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10. Juni 2015
Frischemarkt Marsdorf
Konzept, Standort, Gutachten und Dringlichkeit - Eine Dokumentation der Widersprüche
Vor acht Jahren hat der Rat der Stadt Köln die sehr umstrittene Verlagerung des Großmarktes nach Marsdorf beschlossen. Acht Jahre lag der Beschluss im Dornröschenschlaf. Offensichtlich gab es keine Dringlichkeit.
Das Lärmgutachten wurde am 23.04.2013 als vorläufiger Abschlussbericht vorgelegt, aber nicht veröffentlicht. Das Stadtplanungsamt hat dann mit dem Lärmgutachter am 25.07.2013, 12.08.2014, 19.09.2014 und am 02.10.2014 an immer neuen Varianten gearbeitet. Das Gutachten wurde am 27.02.2015 fertig gestellt.
Die betriebswirtschaftliche Machbarkeitsstudie wurde am 12.09.2014 fertig gestellt und lag sechs Monate im Büro des Oberbürgermeisters. Freigabe zur Beratung an die Politik am 08.04.2015
Die Gutachten sollen die ständig in Größe und Art wechselnden Konzeptionen bewerten und unterstützen. Sie sind teilweise grob fehlerhaft und beruhen auf falschen Übertragungen oder Annahmen. Teilweise sind sie heute veraltet..
Wir bemängeln folgende Punkte und warnen die Politik vor einer voreiligen Entscheidung wegen der von der Verwaltung erzeugten angeblichen Dringlichkeit:
Gutachten ÖPP: Dieses Gutachten kann nicht objektiv sein, weil die Verfasser der Studie gleichzeitig die Befürworter und Ausführer von ÖPP-Verfahren sind. Ein auch für Laien erkennbar schlechtes Gutachten, das den Vorzug der Organisations- und Planungsfähigkeiten privater Investoren gegenüber den Fähigkeiten der Stadt- und Marktverwaltung über alle Maßen herausstellt.
Neben falschen Finanzierungskonditionen mit widersprüchlichen Zinssätzen, die auch dem Dezernentenbüro hätten auffallen müssen, sind die Recherchen bei den Marktbetreibern nur punktuell durchgeführt worden. Kein Wunder, dass heute die Händler in der Machbarkeitsstudie ihre Interessen nicht berücksichtigt finden.
Interessant ist, dass im Gutachten die Ansiedlung von sogenanntem „Affinen Gewerbe“ am gleichen Standort nicht mehr als zwingend für den Betrieb eines Frischemarktes angesehen wird. Dennoch hat die Stadt erst kürzlich – nach Fertigstellung der Machbarkeitsstudie – Flächen für den affinen Bedarf in ihren Besitz gebracht. Unnötig werden für das Kölner Klima wichtige Grünflächen kostenträchtig und umweltschädlich geopfert.
Das Vermietungsrisiko liegt für den gesamten Vertragszeitraum zu 100% bei der Stadt.
Vorgaben des Bundesrechnungshofs wurden mehrfach ignoriert.
Vorteile wurden als Nachteile zu Lasten der Stadt angeführt und auch umgekehrt. Eine Verdrehung von Tatsachen.
Im Lärmgutachten wurden die Gebäudevorschläge der baulichen Machbarkeitsstudie von DU Diederich wegen Überschreitung der Lärmimmissionen am Gut Horbell bzw. in Sielsdorf verworfen und gemeinsam mit der Stadt neue Gebäudeformen entwickelt und geprüft. Die Einhaltung der Lärmkontingente ist nur mit einer speziellen Gebäudeanordnung möglich, so z.B. nur mit einer teilweise kompletten Überdachung von Anlieferung und Parkplätzen sowie teilweise mit Lärmschutzwänden.
In die Vorlage zur Offenlage des FNP werden die Gebäudeanforderungen des Lärmgutachtens nicht übertragen. Die Kostenberechnung wird ohne die geforderten Parkplatzüberdachungen, die umweltverträglichere Sheddachgestaltung und ohne Lärmschutzwände erstellt!
Die geplante DHL-Ansiedlung ist nicht berücksichtigt, obwohl sie bisher nicht zurückgezogen wurde.
Auch das Verkehrsgutachten beruht auf falschen Zahlen und Schlussfolgerungen. Die Berechnung legt einen Warenumsatz von 300.000 Tonnen zugrunde, die Händler selber geben in ihrer Broschüre 1,2 Millionen Tonnen an.
Die Kreuzung Bonnstrasse ist mangelhaft und ist nicht zu ertüchtigen. Die Kreuzungen Marsdorfer Straße und Salzburger Weg sind erst gar nicht untersucht worden. Der einzige Abfluss zur Autobahn kann nur über einen Linksabbieger erfolgen. Allein an Hand dieser Beispiele kann von einer seriösen Lösung der Verkehrsprobleme nicht die Rede sein, zumal der kürzlich erfolgte Ausbau der Kreuzung Militärring/ Dürener Straße keine wesentliche Entlastung bringt.
Während im jetzt schon in die Jahre gekommenen Verkehrsgutachten die Gleuler Straße mit schwerem LKW-Verkehr belastet werden soll, erwägt das Lärmgutachten nun tagsüber eine Tempo-30-Regelung und nachts sogar ein LKW-Durchfahrtverbot. Was nicht über die Gleuler Straße fahren kann, muss folglich dann zusätzlich über die Dürener Straße fahren.
Ein Wirtschaftlichkeitskonzept mit belastbaren Bestands- und Prognosedaten liegt bis heute nicht vor.
Auch zum Artenschutz werden keinerlei Aussagen gemacht. Auf dieser Fläche sind z.B. schutzbedürftige Feldlerchen heimisch. Dies würde ggf. zu einem Planungs-verbot, aber in jedem Fall mindestens zu erheblichen Kosten für zwingend erforderliche Kompensationsmaßnahmen führen, die zusätzlich zu ökologischen Ausgleichsmaßnahmen zu leisten wären. Bisher sind diese Planungs-einschränkungen oder Kosten nicht betrachtet!
Fazit: Das FNP-Verfahren beruht auf Gutachten, die oft nicht von den gleichen Grundannahmen ausgehen oder sich sogar gegenseitig widersprechen. Durch ständige Änderungen der Größe, des Zuschnitts oder durch die Umwandlungen von Grün- und landwirtschaftlichen Flächen in Gewerbegebiete sind die Gutachten nach kurzer Zeit veraltet und nicht mehr anwendbar. So ist das neu erworbene Grundstück südlich des P&R in Marsdorf in keiner der aktuellen Änderungen des Lärmgutachtens enthalten. Dennoch ist es Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung im Dringlichkeitsverfahren. Auf welcher Grundlage sollen da eigentlich die Bürger beteiligt werden? Und wie soll auf dieser Basis ein rechtssicheres Verfahren durchgeführt werden, wenn bereits heute erhebliche Planungsmängel nicht sachgerecht beantwortet werden können.
Die unterschiedlichen Gutachten werden von der Stadtverwaltung oft grob falsch wiedergegeben.
Der Standort Marsdorf schafft Fakten, die nicht zu Ende gedacht sind. Nicht mehr umkehrbare umweltrelevante Sündenfälle werden in Kauf genommen z.B. die einzige westliche Frischluftschneise für die Gesamtstadt zuzubauen, Ackerböden der höchsten Güteklasse zu vernichten und ein Frischezentrum in falscher Konzeption an die falsche Stelle zu setzen. Im Realisierungsfalle werden den Bewohnern von Köln, Frechen und Sielsdorf irreversible Schäden zugefügt.
Hinzu kommt, dass Zusagen der Stadt z.B. im Bebauungsplan-Entwurf Nr. 6042/06 (Toyota-Allee) vom 29.06.2004 in wichtigen Teilen noch nicht umgesetzt sind, z.B. Begrünung der Dachflächen, Anlage von Ausgleichsflächen.
Auf dieser Basis will die Stadt einen hohen zweistelligen - bei korrekter Bauweise dreistelligen - Millionenbetrag ausgeben und weiterhin jährlich den neuen Frischemarkt mit Millionenbeträgen subventionieren.
Bisher angeführter Zeitdruck besteht nicht mehr: Die Bundesgartenschau findet 2025 nicht in Köln statt und einige Erbpachtverträge von Großmarkthändlern laufen noch bis 2024. Lediglich die Parkstadt Süd verbleibt nun als neue selbst erzeugte Dringlichkeit. Warum soll jetzt im Eilverfahren und ohne ausreichende Grundlage durch eine schnelle Bürgerbeteiligung alles auf eine Karte gesetzt werden, um den angeblichen Wettlauf mit der Zeit zu gewinnen?
Es gibt ausreichend Zeit für ein fachgerechtes, seriös abgesichertes Verfahren, das Politik und Bürgern konsistente Entscheidungsgrundlagen zur gesetzlich geforderten Abwägung liefert, bevor Beschlüsse zur Änderungen des FNP getroffen werden.
Astrid Franzen Hildegard Jahn- Schnelle
Elisabeth Spiegel Martina Kanis
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